Rezension von Mona

Inhalt

Mit „Herzfaden“ präsentiert uns Thomas Hettche einen Bestseller, der Magie versprüht – zumindest für alle, die sich diesem Zauber öffnen möchten. Denn der Herzfaden ist nicht nur der Faden, der eine Marionette „lebendig“ werden lässt, er kann auch gleichzeitig als die Verbindung zu den Zusehenden betrachtet werden; eine Verbindung, die sehr prägend sein und ein Leben lang halten kann.

Erzählt wird vordergründig die Geschichte von Hatü, dem einstigen Mädchen, das der Puppenkisten Familie angehörte und maßgeblich an der Entwicklung des Theaters beteiligt war. Durch ihre Augen erleben wir die Schrecken des zweiten Weltkrieges, die Gefahr, die Trostlosigkeit und das Unverständnis für eine Situation, die schlichtweg zu überfordernd war, um sie einordnen zu können. Die Augsburger Kiste war nicht nur Arbeitgeber (wenn auch anfänglich nicht sehr erfolgreich), sondern eine Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen und ihn mit Zauber zu füllen. Vor allem in unserer aktuellen Situation verliert Kultur an Wichtigkeit, wird hintenangestellt und nicht priorisiert, was bei vielen Menschen ein Unverständnis auslöst. Würde man die Mitglieder der Puppenkisten Familie fragen, welchen Einfluss ihr Theater auf die Menschen hatte, wären sie sich sicher alle einig, dass es ein großes gesellschaftliches Bedürfnis war (und noch heute ist), dem Alltag auf die Art und Weise zu entfliehen oder sich so mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen. Kultur kann bestärken, Kraft verleihen und den Menschen eine neue Perspektive bieten. Alles Aspekte, die ungemein wichtig waren, um die traumatischen Erlebnisse des Krieges zu überwinden oder zumindest, die Realität zu überstehen.

Walter Oehmichen, der Puppenkisten-Vater, schnitzte zu Kriegszeiten seine ersten Marionetten und verzauberte seine Kinder mit den Fantasiegestalten. Seine Tochter Hatü (Hannelore Oehmichen), übernahm diese Aufgabe später gemeinsam mit ihrem Vater und entwickelte eine Leidenschaft für das Theater, die wahrscheinlich wahnsinnig wichtig für das Fortbestehen der Puppenkiste während Krisen war. Und obwohl Hatü unsere Hauptperson ist, hat sich doch vorallem für Walter Oehmichen mein Herz erwärmt.

Noch heute stellt das Team seine Marionetten selber her, baut Kulissen und verliert sich in liebevollen Details, trotz aller digitalen Möglichkeiten heutzutage, erschaffen die Augsburger immer noch die perfekte handgemachte Illusion und laden dazu ein, in ihre Geschichten abzutauchen und mit den Puppen zu interagieren.

Die Geschichte hat zudem einen zweiten Handlungsstrang, einen fantastischen, den ich als Appell verstanden habe, sich seinen kindlichen Faszinationen nicht zu verschließen, denn, wie Hermann Hesse so treffend formulierte: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“

Es sei nur so viel verraten, dass wir unseren Marionetten Helden begegnen und sie uns mit auf eine Reise nehmen.

Ein Punkt, der mir auch besonders in Erinnerung blieb, war die Begegnung mit Michael Ende und die Zusammenarbeit des Theaters mit dem bis dato eher unbekannten Autoren. Das Buch hat viele denkwürdige Szenen hervorgebracht, aber diese war eine für mich besonders prägende. Dass die beiden Handlungsstränge innerhalb der Geschichte zweifarbig geschrieben wurden, kommt daher sicher auch nicht von Ungefähr, nutzte Michael Ende dieses Stilmittel doch seinerseits in „Die unendliche Geschichte“.

Fazit

Alles in allem hat mich das Buch begeistert und ich habe es wahnsinnig genossen, mich von Hettche auf die Reise nehmen zu lassen und Kindheitserinnerungen aufleuchten zu lassen. Welch besonderes Schmuckstück man in Händen hält, wird einem zudem bewusst, wenn man das Buch öffnet und den Schutzumschlag entfernt. Allein das Cover, welches von Emma (Lokomotive aus der Jim Knopf Reihe) geziert wird, ist ein Augenschmaus. Unter diesem befindet sich aber noch ein wunderschön in Leinen gebundenes Buch, das mit Goldprägungen verziert ist. Zusätzlich dazu ist das Buch wunderschön illustriert und hat der Augsburger Puppenkiste und ihrem ganzen Konzept und ihrer Wichtigkeit eine Hommage setzt.