Aus dem Englischen übersetzt von Anette Grube

Rezension von Mona

„Ich wuchs nur mit meinem Teil der Geschichte auf, mit meinem kleinen pochenden Stein des Selbsthasses, den ich mit in die Kirche nahm, in die Schule, an alle Orte in meinem Leben, und wie mir damals schien, arbeiteten sie alle zusammen, um die Vorstellung zu bestärken, dass etwas an mir auf unwiderrufliche, verhängnisvolle Weise falsch war. Ich war ein Kind, das gern richtiglag.“ (S. 193)

Inhalt

Yaa Gyasi machte hier zu Lande mit ihrem Debut „Heimkehren“ („Homegoing“ im englischen Original) auf sich aufmerksam und auch mich hatte sie, vorallem mit ihrer Art zu erzählen, für sich eingenommen, weshalb ich seitdem in jeder Verlagsvorschau Ausschau nach einem neuen Werk der Autorin hielt.

Auch in ihrem zweiten Roman verarbeitet sie Themen wie Rassismus und Ausgegrenztheit, allerdings viel subtiler und nicht unbedingt schwerpunktmäßig. Der Fokus liegt auf der erzählenden Protagonistin Gifty, die ein Leben im Dazwischen führt. Zwischen Religion und Wissenschaft, zwischen Angepasstheit und Ausgegrenztheit. Zwischen Familie und Entwurzelung. Und auf dem instabilen, schmalen Spalt, der diese beiden Optionen miteinander verbindet. Gifty ist eine Frau, die sich nach Ordnung sehnt, nach Regeln, die alles erklären und ins Gleichgewicht bringen. Eine religiöse Wissenschaftlerin, die sich wehrt, das eine oder das andere zu idealisieren und als allgemeingültig und fehlerfrei zu erklären.

„Früher sah ich die Welt durch eine christliche Linse, und als diese Linse beschlug, wandte ich mich der Wissenschaft zu.“ (S. 222)

Schuld und Sühne, innerliche Zerrissenheit, all das resultiert aus dem dysfunktionalen Familienkonstrukt, dem unsere Protagonistin entsprungen ist. Giftys Eltern sind ghanaische Migranten. Ihre Mutter hielt am amerikanischen Traum fest, während ihr Vater die Familie sitzenließ in seiner Machtlosigkeit, die Heimat loszulassen. Ihre Mutter findet Halt in der evangelikalen Gemeinschaft oder eher im evangelikal geprägten Glauben selbst, denn vollkommen akzeptiert ist die Familie nicht. Und auch Gifty sucht anfänglich das nicht-Erklärbare, die Ordnung, in der Religion.

All das schildert Gifty uns unbeteiligter Leserschaft. Und lässt uns nie komplett nah an sich ran, erzählt manchmal sogar in einem neutral faktischen Ton, der aber auch von sehr intimen Momenten durchbrochen wird. Große Gefühle und Dramatisierungen wird man hier aber nicht finden.

Hervorragend herausgearbeitet fand ich Giftys unbedingtes Verlangen Abbitte zu leisten, für eine Schuld, die sie nie konkret auf sich geladen hat. Ihr Bedürfnis, die Scherben der Familie zusammenzufegen und eine Antwort auf die Frage „Warum“ zu finden. Warum entwurzeln sich Menschen freiwillig, warum zerstören sie sich selber? Da ihr die Religion hier keine konkrete Antwort liefern konnte, hat sie sich der Wissenschaft zugewandt, um eine Lösung für ein Problem zu finden, das auch nach ihr vermutlich immer weiter bestehen wird, da es ein Bestandteil der menschlichen Psyche zu sein scheint. Aber ihr Wille, Dinge zu richten, sie in Ordnung zu bringen, treibt sie voran, macht eine fantastische Wissenschaftlerin aus ihr, die anhand von Tierversuchen ihre Antworten sucht, diese Methode aber auch nicht unbedingt kritisch hinterfragt.

Fazit

Was mir allerdings ein Wermutstropfen beim Lesen war, war die Tatsache, dass Gyasis sehr bildreicher, poetischer und ausgeklügelter Schreibstil hier keine Anwendung findet, oder wenn, dann nur andeutungsweise. War es doch genau das, was mich ihren Erstling so hat lieben lassen. Diese raffinierte Art, eine Geschichte zu einem Ganzen zu fügen, die einem zuerst wirr erscheinen mag. Dieser Stil, der sich deutlich von anderen abhebt. Weshalb mir „Ein erhabenes Königreich“ leider insgesamt deutlich weniger gefiel, auch wenn ich die oben beschriebenen Aspekte sehr mochte.