Rezension von Annemarie

Inhalt

„Iss doch einfach weniger, warum kriegst du das denn nicht hin!“, „Bist wohl zu blöde, weniger zu fressen!“, „Musst du dich denn immer so vollfressen? Kein Wunder, dass du so fett bist!“. Solche Sätze und teilweise noch schlimmere hören viele vollschlanke Personen oft. Und sie wissen ja selbst, dass sie zu dick sind. Dabei versuchen sie doch abzunehmen, zählen Kalorien, kasteien sich selbst… bis sie ihrem Essdrang nicht mehr widerstehen können und doch wieder alle eingesparten Kalorien wieder aufnehmen. Ein Teufelskreis, der einen leicht zur Verzweiflung treiben kann. Doch oft ist ein Mangel an Disziplin gar nicht der Grund dafür, dass man nicht aufhören kann, zu essen. Vielmehr kann Essen wirklich zur Sucht werden. Genauso wie man einem Alkoholiker nicht einfach sagen kann, er solle von nur an bitte jeden Abend nur noch ein Glas Bier trinken, kann man Esssüchtigen auch nicht einfach vorschreiben, kleine Portionen mit gesunder Nahrung zu verzehren. Was tun? Ratschläge aus der Suchtmedizin aus anderen Bereichen können hier Wunder wirken, um das eigene Essverhalten endlich in den Griff zu bekommen. Und genau das hat dieses Werk zum Inhalt.

Autoren sind Dr. Shird Schindler, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin und u.a. Leiter des Zentrums für Suchtkranke in Wien, sowie Dr. Iris Zachenhofer, eine ehemalige Neurochirurgin, die mittlerweile in der Psychiatrie arbeitet. Ihr Werk ist aus neun Kapiteln zusammengesetzt, die chronologisch von vorne nach hinten durchgearbeitet werden sollten. Zunächst lernt man, sich in Bezug auf das eigene Essverhalten selbst einzuschätzen, im Anschluss daran wird erläutert, wie man seine Ernährungsumstellung durchhält und was man tun kann und sollte, wenn einen der Essdrang überkommt. So geht es in dem Werk wirklich teilweise hardcore der Essstörung an den Kragen.

Der Band enthält mehrere Fragebögen, anhand derer man sein Suchtverhalten einschätzen kann, sowie Protokolle – etwa zu Rückfällen – zum selber Eintragen. Er hat einen ganzheitlichen Ansatz. Das heißt, es geht nicht nur darum, ob man isst oder nicht, mit dem Ziel, möglichst wenig zu essen, sondern auch darum, welche Gefühle mit dem Essen verbunden und welche Gefühle, Gedanken und Einstellungen dazu führen, können, dass man mehr isst als man braucht. So muss man letztendlich seine Einstellung wandeln, um dauerhaft abzunehmen. Und genau darauf, auf die dauerhafte Abnahme, das Halten des geringeren Gewichts über einen langen Zeitraum, zielt dieser Band ab. Erläutert wird zudem, warum bestimmte Lebensmittel gesünder sind als andere. Das heißt, die Autoren schreiben einem nicht stumpf vor, was man eher essen sollte, sondern erklären auch, was diese für positive Auswirkungen auf den eigenen Körper haben.

Rezension

Ich habe schon mehrere Bücher zum Thema abnehmen durchgelesen. Ihr Grundtenor war meist der Gleiche. Iss weniger, stell deine Ernährung um. Und wenn dich doch der Essdrang überkommt, dann meditiere doch einfach, trink ein Glas Wasser oder gehe etwas spazieren. Dann ist der Essdrang schnell weg, vielleicht hast du sogar ganz vergessen, dass du essen willst. Notfalls isst du eine Möhre oder einen kleinen Apfel anstelle der fetten Pizza. Nur: Wenn das so einfach wäre, wären nicht zwei Drittel der deutschen Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig. Bei wirklichem Essdrang helfen diese ganzen Maßnahmen wenig bis gar nicht. Daher war ich auf dieses Werk ziemlich gespannt, versprach ich mir davon doch andere, bessere Lösungen.

Und kurz gesagt: Der Band hat mich ziemlich begeistert. Zum einen fand ich den Inhalt fachlich fundiert und kompetent geschrieben. Dabei ist er aber nicht ausschweifend verfasst, sondern relativ kompakt und enthält keine unnützen Hintergrundinformationen. Er ist direkt zum Mitmachen geschrieben und sehr praxisnah. Zudem bleiben die Autoren realistisch. Sie machen also keine großen Versprechungen und behaupten auch nicht, dass das Abnehmen einfach ist. Vielmehr erklären sie dem Leser durchaus, welche Schwierigkeiten und zu erwartenden Probleme mit dem Abnehmen verbunden sind und wie man diesen entgegenwirken kann. Der Schreibstil ist angenehm, flüssig und unterhaltsam zu lesen. Es wird auch erklärt, dass es ganz natürlich ist, mehr als notwendig zu essen – eine Eigenschaft, die unseren Vorfahren sogar das Überleben gesichert hat – in der heutigen Zeit mit den stark verarbeiteten Lebensmitteln ist dieser Instinkt nur leider aus dem Ruder gelaufen. Somit verhindern beide Autoren, dass man sich wegen seines Essdrangs schämt. Und das gefiel mir richtig gut.

Auch wenn ich, bzw. mein stark übergewichtiger Bekannter, noch keine Aussage über den langfristigen Erfolg des Bandes sagen können – alle Ratschläge gegen die Esssucht erscheinen erfolgversprechend. Ich gebe euch Bescheid, wie das Experiment, mithilfe des Buches den eigenen Essdrang unter Kontrolle zu bekommen, ausgegangen ist.

Fazit

Ein sehr praktisches, fachlich fundiert geschriebenes Werk mit konkreten Ratschlägen aus der Suchtmedizin. Aus meiner Sicht allen Abnehmwilligen, die ihr Essverhalten trotz gutem Willen kaum unter Kontrolle bekommen, sehr zu empfehlen.