Rezension von Annemarie

Inhalt

Der Wunsch, immer mehr zu haben, Gier. So gut wie jeder kennt mindestens eine Person, die gierig nach etwas ist. Nicht? Ihr kennt niemanden, der leidenschaftlich gerne shoppen geht, dem die Kleiderschränke überquellen oder der auch nach dem 25. Paar Schuhe noch immer nicht genügend Schuhe hat – niemanden, der gerne mehr Geld, am besten so viel Geld wie möglich, hätte? Eben. Und so verbreitet Gier ist, sie deutet doch oft auf einen seelischen Notzustand, vorsichtiger ausgedrückt auf ein seelisches Defizit, hin. Und damit setzt sich Eugen Drewermann in seinem Werk näher auseinander. Grundlage sind von ihm ausgewählte Grimm´sche Märchen. Diese deutet er tiefenpsychologisch und erläutert seine Schlüsse und Interpretationen.

Bei Eugen Drewermann handelt es sich um einen Theologen und Psychoanalytiker, der sich u.a. aufgrund seiner Interpretationsweise der Bibel, welche viel stärker auf Güte und Vergebung beruht als im Katholizismus allgemein anerkannt, vor einigen Jahrzehnten mit der katholischen Kirche überworfen hat, und als Schriftsteller zudem sehr erfolgreich ist.

Insgesamt enthält der Band vier Grimm´sche Märchen. Diese stellen auch die unterschiedlichen Kapitel dar. Jedes der Kapitel ist gleich aufgebaut. Zunächst wird das Märchen wiedergegeben und im Anschluss wird es gedeutet. Das erste Märchen lautet „Von dem Fischer un syner Fru“ und hat die Geschichte eines Fischers, dessen Frau immer habgieriger wird, zum Inhalt. Dieses Märchen behandelt Drewermann von allen Märchen mit Abstand am umfassendsten und ausführlichsten. Die in den folgenden Kapiteln erläuterten Märchen lauten „von dem Mäuschen, Vögelchen und der Bratwurst“, „Strohhalm, Kohle und Bohne“ und „Die Geschichte des kleinen Volkes“.

Etwa in der Buchmitte sind fünf Seiten mit hochwertigem Fotopapier vorhanden, auf denen jeweils eine Farbfotografie zu sehen ist. Diese stellt jeweils ein Kunstwerk dar, welches in Zusammenhang mit Gier steht.

Rezension

Eines gleich zu Beginn: Wer ein Buch sucht, deren Autor sich kurz und knapp fasst und nur das Notwendigste erläutert und ebenso wer umfangreiche, in die Tiefe gehende Interpretationen von Texten nicht leiden kann, sollte sich bitte einen anderen Band suchen. Denn Drewermann geht in die Tiefe. Und er fasst sich nicht gerade kurz. Ich persönlich fand das nicht schlimm, im Gegenteil es gefiel mir sogar ganz gut. Grund dafür sind zum einen Drewermanns zum Teil überraschende Deutungen, die oft auch auf ganz grundlegend wichtige Bereiche im Leben gehen und aus denen man somit einiges für das eigene Leben lernen kann. Zum anderen bewirkt aber auch der schöne Schreibstil, dass das Buch sehr gut und angenehm zu lesen ist. Dieser ist fein, sensibel und in sehr gewählter Sprache verfasst. Dadurch ist er aber teilweise nicht ganz einfach zu lesen – insbesondere für Personen, die es gewohnt sind, allenfalls Umgangssprache zu lesen. So empfehle ich den Band Personen, die vor allem leger bis locker-flockig geschriebene Literatur mögen, die nicht viel geistigen Anspruch hat, weniger.

Und Drewermanns Deutungen wirkten auf mich größtenteils ausgesprochen klug. Wie viel man aus solch einfachen, für mich ohne Drewermanns Deutungen komplett unspektakulären Märchen schließen kann, hat mich wirklich überrascht. Dadurch habe ich den Band regelrecht verschlungen.

Eine Besonderheit des Bandes vielleicht noch: Wer plattdeutsch kann, wird mit diesem Band besonders viel Freude haben. Denn das umfassendste Märchen – „Von dem Fischer un syner Frau“, ist auf Platt abgedruckt. Alle, die dieser Sprache nicht mächtig sind, müssen sich jedoch nicht sorgen – die Übersetzung steht direkt im Anschluss.

Fazit

Eine ausgesprochen intelligente tiefenpsychologische Deutung von vier Märchen zum Thema Gier. Allen Personen zu empfehlen, die neue, kluge Impulse auf christlicher Grundlage für das eigene Leben erhalten wollen.