Rezension von Ramon

Inhalt

„Caliban Berlin“ versammelt Kolumnen, die der 1987 verstorbene Jörg Fauser in den Jahren 1980-84 in dem Berliner Stadtmagazin „tip“ veröffentlichte. Die Bandbreite der Themen ist groß. Letztlich kann man unterteilen in konkret in der Zeitgeschichte verankerte Anlässe, etwa die Affäre Kießling sowie allgemeine Anlässe wie dem Besuch bei einer Wahrsagerin. Zwischen seinen journalistischen Arbeiten und seinen Romanen und Erzählungen machte Fauser keinen großen Unterschied, beides betrieb er mit der gleichen sprachlichen Sorgfalt.

Mit jedem Text tauchen wir tief ein in die frühen 1980er Jahre. Dabei ist es spannend, die damaligen Diskurse mit den heutigen abzugleichen. 1980 schreibt Fauser: „Nach den Gesamtschulen haben wir nun den Gesamtstaat. Und wenn wir erst die fälschungssicheren Ausweise haben, werden auch die fälschungssicheren Gehirne nicht mehr lange auf sich warten lassen. Mit den Personaldaten sind dann auch die Personalgedanken gespeichert.“ Viel wurde damals diskutiert über die Volkszählung und fälschungssichere Personalausweise. Gegen beides richteten sich breiter Protest und große Demonstrationen. Das mutet fast skurril an vor dem Hintergrund der Freigiebigkeit, mit der die Leute heute ihre Daten sammeln und verwerten lassen.

Der Papstbesuch, eine Führung durchs Berliner Nachtleben, ein Ausflug in Griechenland,

egal, worüber er schreibt, immer kontextualisiert Fauser das in einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang.

Zu Recht sind diese alten Kolumnen im Rahmen der Werkausgabe jetzt noch mal als eigenes Buch erschienen. Die Beiträge gehen sprachlich und inhaltlich weit über das hinaus, was man normalerweise in einem Stadtmagazin zu lesen bekommt. Handelt es sich um Reportagen? Kolumnen? Kurzgeschichten? Natürlich sind nicht alle Texte für den heutigen, womöglich jüngeren Leser gleichermaßen nachvollziehbar. Nicht in jedem Fall liegen die Bezüge heute noch so klar auf der Hand. Oft bezieht Fauser sich auf spezifische Personen oder politische Ereignisse, die heute weitgehend vergessen sind. Meines Erachtens ist es aber auch gar nicht so wichtig, diese immer zu kennen. Denn immer wieder gelingt es Fauser, vom Konkreten zum Abstrakten zu kommen und somit Zeitdiagnosen zu formulieren, die sich auch ohne Kenntnis des jeweiligen Anlasses erschließen. Außerdem kann es natürlich auch Spaß machen, den alten Geschichten (etwa der „Affäre Kießling“) mittels Wikipedia und Zeitungsarchiven nachzuspüren.

Fazit

Zu empfehlen allen, die sich für Deutschland in den frühen Achtzigerjahren interessieren.