Rezension von Annemarie

Inhalt

Zu viel essen. Dieses Phänomen ist heutzutage weit verbreitet.

Tatsächlich gibt es dieses aber bereits seit Jahrhunderten bis Jahrtausenden – das Zu-Viel-Essen hat somit fast schon eine Kulturgeschichte. Und genau über diese Völlerei und das Zuviel erfährt man in diesem Büchlein. Verfasst ist es von Jürgen Dollase, ein ehemaliger Rockmusiker, der inzwischen Bücher im Bereich der Ernährung schreibt und für verschiedene Zeitungen und Magazine wie die FAZ, Port Culinaire sowie das European Fine Wine Magazine Texte verfasst.

Zunächst informiert Dollase darüber, dass und warum die christliche Kirche die Völlerei als Todsünde ansieht. Im Anschluss daran erfährt man, wie sich die Essgewohnheiten von der Antike bis in die heutige Zeit verändert haben. Es folgt ein kurzer Blick in die Psychologie und ferner auch die Medizin, woher die Völlerei auf psychischer Ebene kommt. Dem schließt sich ein Kapitel an, wie genau das Individuum zum Vielessen gebracht wird und was es antreibt. Wie die Völlerei auf größerer Ebene aussieht und von Politik und Gesellschaft gefördert wird, erfährt man im Anschluss daran. Am Ende des Bandes werden ein paar Ratschläge gegeben, wie man auf Völlerei verzichten lernen kann, ohne auf Genuss verzichten zu müssen. Literaturverzeichnis und Bildnachweis schließen das Taschenbüchlein ab.

Vereinzelt enthält der Band Farbfotos von ganz ordentlicher Qualität. Er ist als Lesebuch gestaltet.

Rezension

Was mir gleich aufgefallen ist: Der Band ist erstaunlich – für mich offen gesagt schon erschreckend – dünn. So enthält er gerade einmal 101 Seiten reinen Textinhalt. Und dafür finde ich einen Preis von 15 Euro schon ziemlich hoch.

Was mir an dem Band inhaltlich sehr sauer aufgestoßen ist: Dollase lässt meiner Meinung nach schon deutlich durchklingen, dass Völlerei für ihn sehr schlecht ist und die Übergewichtigen selbst schuld an ihrer Situation sind. Dem stimme ich nun gar nicht zu, schließlich ist aus Tierversuchen bekannt, dass Industriezucker ähnliche Wirkungen im Gehirn von Mäusen entfalten kann wie „echte“ Drogen. Demzufolge sehe ich zur Bekämpfung der Völlerei die Nahrungsmittelindustrie deutlich stärker in der Verantwortung als den Menschen selber.

Hinzu kommt, dass der Untertitel „Das große Fressen“ zwar eine klare Positionierung im Band erwarten lässt, ja fast schon sensationsheischend ist, genau diese klare Positionierung vermisse ich bei Dollase dann aber. So schreibt er meiner Meinung nach doch eher schwammig – beispielsweise bleibt er bei der Frage, ob Adipöse selbst schuld an ihrem Verhalten sind, komplett offen und bezieht keine Stellung – und gibt wenig konkrete Tipps und Informationen.

Ebenso finde ich, dass man Dollase deutlich anmerkt, dass sein Hintergrund eher in der gehobenen Esskultur liegt. So sind seine Ratschläge und Tipps vor allem für Menüs im privaten Umfeld oder in Restaurants umsetzbar – wer bei einer Fastfoodkette essen geht oder mangels Geld und Zeit auf Fertigprodukte ausweichen muss, wird mit den Tipps aus diesem Band vermutlich herzlich wenig anfangen können. Dabei schreibt er aber auch, dass die Oberschicht generell eher dünner ist als die Unterschicht. Nach dieser Logik müsste die Unterschicht eigentlich besonders dringend Tipps bekommen, wie sie die Völlerei in den Griff bekommt – die bekommt ausgerechnet diese Gruppe im Buch aber nicht. Das fand ich schon ziemlich widersprüchlich.

Und dann gibt der Autor ganz tolle Tipps, die Übergewichtigen sicher super helfen, ihr Gewicht zu reduzieren, da noch komplett unbekannt. Gut, jetzt mal im Ernst: Der Band strotzt nun nicht gerade vor neuen Erkenntnissen. Wenn also Ratschläge gegeben werden wie man solle sich fettarm ernähren oder langsam essen, dann sind das Ratschläge, die schon lange Zeit bekannt sind.

Fazit

Ein interessantes Büchlein zur Geschichte und Art der Völlerei. Wer den vergleichsweise hohen Preis nicht scheut, oft in Restaurants essen geht und maßvoller essen möchte, könnte hierein einiges an interessanten Informationen finden.