Rezension von Annemarie

Inhalt

Leben im ewigen Eis. Ein Leben unter Extrembedingungen. Das war es früher umso mehr. Und doch gab es Menschen, die auch ohne die modernen „Errungenschaften“ der Technik erfolgreich in dieser lebensfeindlichen Umwelt überlebt haben: die Inuit, früher Eskimos genannt. Diese Zeit ist längst vergangen – seit Jahrzehnten bedienen sich die Angehörigen dieses Volkes moderner Hilfsmittel – doch früher war ihr Leben tatsächlich vollkommen anders als das der Europäer. Vierzehn Monate verbrachte Niko Tinbergen – ein Verhaltensforscher, der 1973 gemeinsam mit Konrad Lorenz den „Nobelpreis für Physiologie oder Medizin“ erhalten hat und zu den größten seines Faches zählte – zwischen den Jahren 1932 und 1933 auf Grönland bei den Inuit. Von seinen Erlebnissen und dem Volk berichtet er in seiner Schrift. Diese wurde im Jahr 2017 wiederentdeckt und jetzt in diesem Band abgedruckt. Primär beschreibt er die Lebensweise der Inuit, also, wie sie in dieser unwirtlichen Umgebung leben, wie sie an ihre Nahrung kommen, wie sie kommunizieren, und das zu einer Zeit, in der der Einfluss der westlichen Welt noch ziemlich gering war.

Gestaltet ist er als Lesebuch. Das Werk ist in 14 Kapitel unterteilt, die schlicht in römischen Nummern durchnummeriert sind. Im Band verteilt sind diverse Schwarzweiß-Fotografien sowie einige Zeichnungen von Tinbergen.

Rezension

Abtauchen in vergangene Zeiten, den Überlebenskampf und die Überlebensfähigkeiten ganz besonderer Menschen im alltäglichen Leben durch Tinbergens Augen miterleben. Das kann man mit diesem Band. Und es ist wirklich erstaunlich und faszinierend, mit welchen Mitteln und Maßnahmen die Inuit gelebt und überlebt haben. Als ich daran dachte, dass unsereins schon durchdreht, wenn das Internet nicht funktioniert oder das eigene Smartphone kaputtgegangen ist und generell von vielen Dingen wir abhängig sind, spürte ich doch so etwas wie Scham wegen der unserer Abhängigkeit von so vielen – doch eigentlich ziemlich überflüssigen – Dingen, und die Behauptung, der moderne Mensch sei „die Krone der Schöpfung“, wird ad absurdum geführt. So hält Tinbergen dem modernen Menschen ungewollt den Spiegel vor und zeigt uns, dass auch ein ganz anderes, naturverbundenes Leben möglich ist und unser Leben im Luxus, im goldenen Käfig, vielleicht gar nicht unbedingt das Beste, das wahre Leben sein muss. Und das fand ich enorm interessant. Dabei schreibt Tinbergen trotz der doch relativ trockenen Thematik relativ anschaulich und einfühlsam, auch wenn seine Sätze ziemlich lang und verschachtelt sind.

Sein Layout und sein vergleichsweise geringes Gewicht sind sehr handlich und prädestinieren den Band geradezu dazu, im Bett, gemütlich (im Warmen!) auf einem Sessel oder unterwegs gelesen zu werden und dabei in fremde Welten abzutauchen. Auch kommt das Büchlein mit gelbem Lesezeichenbändchen hochwertig und hübsch daher.

Dafür, dass die Fotografien allesamt in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts aufgenommen wurden, ist ihre Qualität erstaunlich gut und man erkennt viel Interessantes, insbesondere in Bezug auf die Lebensweise der Menschen. So hat mir das Buch insgesamt sehr gut gefallen.

Fazit

Ein sehr anschaulicher und historisch bedeutsamer, hochwertiger Bericht, in dem über die Lebensweise der Inuit und die grönländische Natur von damals geschrieben wird und dem modernen Europäer ein Spiegel vorgehalten wird. Allen Interessierten sehr zu empfehlen.