Rezension von Annemarie
Inhalt
Zucker. Heutzutage ist er in fast jedem Lebensmittel – einfach, weil er ein Geschmacksverstärker ist, der Mensch ohnehin auf Süßes gepolt ist und daher süße Nahrungsmittel generell instinktiv eher bevorzugt, und weil er günstig ist. Dadurch ist der Konsum an Zucker ins schier unermessliche gestiegen. Die Süßwarenindustrie – Hersteller von Waren mit besonders hohem Zuckergehalt – macht jährlich horrende Umsätze, ebenso andere Hersteller zuckerreicher Nahrung. Das hat dazu geführt, dass mittlerweile viele Menschen regelrecht süchtig nach Zucker sind. Denn auch wenn die Zuckersucht noch keine anerkannte Sucht ist – sie ist definitiv eine Sucht. Und eine Krankheit – mit Beinamen Fettsucht genannt, die aber eigentlich eine Fett- und Zuckersucht ist – gibt es tatsächlich, eine Krankheit die jährlich Millionen Menschen weltweit krank macht und einen Teil davon auch tötet: Adipositas.
Nur wie kommt man da wieder raus? Das erfährt man anhand eines ungewöhnlichen Ansatzes in diesem Band.
Auf Aufbau her ist der Band so, dass zunächst, auch in Verbindung mit eigenen Erfahrungen des Autors, erläutert wird, was die Folgen des Zuckerkonsums eigentlich sind. Anschließend wird auf die Sucht selber eingegangen, darunter auf die Gewöhnung an das Suchtmittel Zucker, darauf, ob man selbst wirklich nicht zuckersüchtig ist, und, ganz wichtig, darauf, was für Trugbilder es bei der Sucht gibt. Ebenso wird erklärt, wie Zucker den eigenen Geschmack verändert und täuscht. Schließlich erfährt man, wie man selber die Kontrolle über den eigenen Zuckerkonsum zurückgewinnen und behalten kann und sich in Gesellschaft nicht dazu überreden lässt, aus Freundlichkeit doch etwas Süßes zu essen.
Der Band ist kompakt, wo passend, mit einigen farbigen Abbildungen und übersichtlich aufgebaut.
Rezension
Bücher, in denen damit geworben wird, dass man „ganz leicht und problemlos“ den eigenen Zuckerkonsum in den Griff bekommt und nebenbei noch toll abnimmt und glücklicher lebt, gibt es zuhauf. Und irgendwie beinhalten sie dann doch alle das Gleiche: Man soll – oh Wunder! – diszipliniert sein und „einfach“ eine Zeitlang gar kein zuckerhaltiges Lebensmittel mehr verzehren. Ach – darauf wäre ich gar nicht gekommen! Das wäre genauso, als würde man einem Alkoholiker sagen: Hör doch einfach auf zu trinken, dann bist du deine Sucht los. Oft gibt es in derartigen Büchern dann noch tolle Rezepte, die als „zuckerfrei“ angepriesen sind, dann aber voll mit sündhaft teuren und für die Industrie sicher sehr lohnenswerten Zuckerersatzstoffen sind.
So war ich offen gesagt relativ skeptisch, als ich diesen Band zur Hand nahm, zumal sein äußeres Layout jetzt nicht so extrem hochwertig daherkommt. Doch dieses kleine Buch hat mich tatsächlich sehr überrascht. Denn der Ansatz des Autors Peter Ruck ist ein komplett anderer als bei den anderen Büchern. Er setzt nämlich beim Genuss – der hauptsächliche Grund für den Genuss von Zucker – an und hinterfragt, inwieweit man durch den Konsum zuckerreicher Nahrung en masse wirklich Genuss empfindet. Aufbauend auf seiner eigenen Erfahrung, gepaart mit wissenschaftlichen Fakten erläutert er, dass genau dies nicht der Fall ist. Vielmehr entsteht ein kurzzeitiges Hoch, das aber durch ein umso tieferes Stimmungstief, je länger und intensiver der Zuckerkonsum wird, abgelöst wird. Zudem nimmt das Geschmacksempfinden für andere Geschmacksnuancen ab und man wird regelrecht süchtig nach dem verarbeiteten billigen Industriezucker. So wird man als Leser sich auch automatisch selbst reflektieren – und ich habe daher festgestellt, dass Peter Ruck komplett recht hat. Tatsächlich schaffte er es bei mir, einem chronischen Süßschnabel, dass ich nach dem Lesen des Bandes keine Lust mehr auf Zucker hatte, mich teilweise regelrecht vor diesem weißen kokainähnlichen Zeug geekelt habe. Und wie gut ein Apfel schmeckt, der zwar auch süß ist, aber nur die natürliche Süße hat. Das ist bis heute, mehrere Wochen nach dem Lesen des Bandes, so geblieben.
So fiel es mir nach der Lektüre dieses Bandes zum ersten Mal leicht, den Zuckerkonsum zu reduzieren – einfach, weil der Blick auf das süße Zeug durch die Lektüre des Bandes ein anderer geworden ist: Vom begehrenswerten Leckerbissen, der verführerisch duftend und appetitlich aussehend dazu einlädt, nur einmal zu probieren, zum fahl aussehenden Etwas voller künstlicher, schlechter und billiger Zusatzstoffe, das man möglicherweise nicht einmal mehr als Lebensmittel, als etwas Essbares, ansieht. Das führt dazu, dass man – in der Tat, auch hier hat der Autor recht – freier lebt, und die Personen, die Süßkram essen, vielleicht im Café begierig ein Stück Sahnetorte essen oder nach einem Softeis lechzen, fast schon bemitleidet. Denn wenn man erst einmal den Zuckerkonsum reduziert hat, fällt einem auf, wie erschreckend abhängig man von dem Zeug war. In seiner Kürze ist der Band beeindruckend klar geschrieben – mehr Inhalt hätte ihn nur aufgebläht und die Klarheit der Aussage verschleiert – zugleich enthält er aber genau passend viel Inhalt, um einen aus der Sucht weg zu einem freieren, eventuell auch leichteren, und unabhängigen Leben zu führen.
Daher ist der Band aus meiner Sicht definitiv einer der nützlichsten Ratgeber, die ich zum Thema „Ermährung“ je gelesen habe.
Fazit
Ein von außen unscheinbares, doch gnadenlos unterschätztes Büchlein, in dem der entscheidende Aspekt beim Zuckerkonsum – der Genuss – hinterfragt wird. So beginnt man, auf dieser Basis den eigenen Zuckerkonsum zu reflektieren und zu reduzieren. Aus meiner Sicht ein sehr nützliches Büchlein, das definitiv das Potential hat, viele Menschen dazu zu bringen, ihren Zuckerkonsum erheblich zu reduzieren.