Sebastian Jutzi: Als ein Virus Napoleon besiegte. Wie Natur Geschichte macht

Rezension von Annemarie

Inhalt

Die historische Entwicklung wird entscheidend durch die Taten großer Kriegsherren, durch grandiose kriegerische Manöver, die Intelligenz und Geschicklichkeit einzelner Personen und durch tolle neue Innovationen und Neuerungen wie modernes Kriegsgerät oder andere „Kriegsgeräte“, die den bisherigen überlegen sind, etwa Pferde gegenüber Fußsoldaten, bestimmt. Diese entschieden wesentlich über den Ausgang von Schlachten und die menschliche Verbreitung bzw. Bevölkerungsströme. Wer hierbei zustimmend mit dem Kopf nickt, den muss ich leider enttäuschen. Denn es wurde ein ganz wesentlicher Faktor vergessen: Die Natur! Ob durch Wetterumschwünge, Krankheiten, Vulkanausbrüche, Winde und andere Luftströmungen oder etwas anderes – sehr oft gab diese den Ausschlag für eine Entwicklung. Und warum und wie, das erfährt man in diesem Buch. Autor ist Sebastian Jutzi, ein studierter Biologe, der als Redakteur u.a. für bild der wissenschaft, das ZDF, den Focus und die Zeitschrift natur gearbeitet hat und schon einige Bücher verfasst hat.

Sein Band besteht aus 53 Kapiteln, in denen jeweils ein geschichtliches Ereignis, bei dem der Einfluss der Natur eine große – vielleicht die entscheidende – Rolle gespielt hat, erläutert wird. Im Anhang findet man ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis, bei dem zu jedem Kapitel die vom Autor zurate gezogenen und verwendeten Quellen genannt werden. Bildnachweis und ein ziemlich kompaktes Register schließen den Band ab.

Der Band ist chronologisch aufgebaut, das heißt er beginnt mit Ereignissen in der Antike hunderte Jahre vor Christi Geburt und endet in der jüngsten Vergangenheit. Dabei befasst sich Jutzi u.a. mit Schlachten und anderen militärischen Operationen, dem Einfluss der Natur auf die Entwicklung von Religionen wie dem Christentum, starken Überschwemmungen, die die Bevölkerung dezimierten, Schiffsunglücken und anderen Unglücken und Katastrophen, Hungernöten und vielem mehr. Haupt“personen“ sind u.a. ungewöhnliche Tiere, Insekten, Kälteeinbrüche und -perioden, Starkregen, Hochwasser, Flüsse, Winde und Windströmungen, Viren, Bakterien und Pilze.

Das Buch enthält einige Schwarzweiß-Grafiken, darunter Karten, Bilder und andere Visualisierungen.

Rezension

Die Geschichte des Menschen wird in den Geschichtsbüchern vor allem als durch sein eigenes Handeln beeinflusst beschrieben. Gutes, durchdachtes Handeln brachte Erfolg, schlechte, dumme Taten Misserfolg. All das wirft Jutzi mit diesem Band über den Haufen – und das auch noch wissenschaftlich sehr gut begründet. So war der Inhalt für mich sehr interessant. Ich hätte nicht gedacht, dass der Einfluss der Natur dermaßen groß ist.

Allerdings hat mich gestört, dass das Inhaltsverzeichnis so unübersichtlich ist. 53 Kapitel, die dann noch nicht einmal in Teile untergliedert sind, fand ich schon ziemlich heftig. Da der Band chronologisch aufgebaut ist, hätte man dich wenigstens eine Unterteilung in Antike, Mittelalter, Zeit der Aufklärung etc. machen können. Dann haben die Kapitel auch noch so tolle Namen wie „Zittriger Sieg“, „Göttlicher Wind“, „Wenn der Druck nachlässt“, „Durch den Hund darauf gekommen“, „Manche mögen´s kalt“, „Geflügelter Retter“, „Wenn der Korken ploppt“ oder „Schwankender Boden“. Man kann das ja wahnsinnig kreativ finden und total innovativ. Das hätte ich ebenfalls so gesehen, wenn Jutzi denn locker-flockig bis humorvoll-frisch-unterhaltsam geschrieben hätte. Blöderweise ist dieser Band sachlich geschrieben, im Grunde ein vor allem informatives Sachbuch, und bei einem solchen Buch ist es nun einmal ganz wesentlich, dass man sich gut darin zurechtfindet. Und das ist hier nun gar nicht der Fall. Nichtsdestotrotz kann Jutzi gut schreiben und vermittelt dem Leser das Wissen angenehm, gut verständlich und plastisch. Besser hätte ich es gefunden, wenn in den Kapiteln das jeweilige historische Ereignis kurz genannt worden wäre, etwa „Die Schlacht von …“ und dann meinetwegen der kreative Titel in Klammern. Das Register, das auf knapp zweieinhalb Seiten aus meiner Sicht doch etwas zu kompakt ist, konnte da leider auch nur wenig helfen, für etwas mehr Übersichtlichkeit zu sorgen.

Dennoch fand ich das Buch infolge seines absolut spannenden Inhalts gut und habe ihn durchaus sehr gerne gelesen.

Fazit

Ein sehr spannender Band, in dem sachlich und auf diversen fundierten wissenschaftlichen Quellen beruhend anhand diverser historischer Ereignisse erläutert wird, wie groß der Einfluss der Natur auf die Geschichte des Menschen ist. Allen Interessierten, die es nicht stört, dass der Band etwas unübersichtlicher ist, sehr zu empfehlen.