Rezension von Mona

Lilly Lindner gilt in Deutschland als „literarisches Ausnahmetalent“. Oft wurde sie mir wärmstens ans Herz gelegt, bei ihrem neuesten Werk (Stand Juni 2016) ergriff ich die Chance, ohne zu wissen, worauf ich mich einließ. Als ich die Buchdeckel hinterher schloss, war ich gerührt, ergriffen und schlichtweg überwältigt. Mit „Die Autobiographie der Zeit“ hat die Autorin solch ein imposantes Werk erschaffen, dass ich noch tagelang darin herumblättern musste!

Worum geht es? Wie der Titel schon verrät, geht es um die Autobiographie der Zeit. Die Zeit, der Raum, die Beständigkeit und der Abgrund wurden als Jugendliche eines anderen Planeten personifiziert und die Zeit erzählt uns ihre Lebensgeschichte. Obwohl ich gerade feststellen muss, dass so eine sachliche Zusammenfassung der Geschichte ihre Schönheit nimmt.
Viel besser trifft es folgende Textpassage:

„Aus Krieg wurde Frieden.
Aus Frieden wurde Politik.
Aus Politik wurde Macht.
Aus Macht wurde Neid.
Aus Neid wurde Hass.
Aus Hass wurde Liebe.
Aus Liebe wurde der nächste Krieg begonnen.“ (S. 13)

Die Geschichte ist nicht nur wahnsinnig schön und poetisch, sondern hat ebenso gesellschaftskritische, wie lebensbejahende Töne. Man kann genießen, abtauchen, sich in die Sprache (und die Autorin!) verlieben und gleichzeitig bieten einem alle Sätze so viel Material zum Philosophieren. Selten habe ich ein so zartes Buch (240 Seiten, fast jede Seite nur wenig bedruckt, außerdem gibt es einige wunderschön passende Illustrationen) gelesen, dass eine derart gewaltige Kraft entwickelt.

Mir fällt es sehr schwer, viel mehr zu sagen, als „Lest dieses Buch!“ (wenn ihr wollt), denn genau das trifft es. Wenn ein Buch mich so wahnsinnig gefangen nimmt, emotional ergreift, zum Nachdenken anregt UND komplett bezaubert, dann möchte ich es jedem Menschen ans Herz legen und ihm diese Erfahrung einfach auch schenken.

„Vor mir, in einem viel zu begrenzten Dasein, sitzt die Befremdlichkeit in Gestalt der Menschheit und spielt Verstecken – hinter ihren winzigen Handys, zwischen ihren riesigen Schokoriegeln, neben der Achtlosigkeit, Seite an Seite mit nichts, aber auch gar nichts, was von Bedeutung wäre.“ (62)

Fazit

Mein erster Lilly Lindner Roman wird definitiv nicht mein letzter gewesen sein, da mich die Autorin vollkommen gefangen genommen hat und mit „Die Autobiographie der Zeit“ ein Werk erschaffen hat, das seines Gleichen sucht!