Rezension von Beste Bücher

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Tom Hagen, der als deutsche Entsprechung von Christiane Amanpour durch die Krisenherde der Welt hetzt und preisgekrönte Reportagen schreibt. Dabei ist er nicht gerade risikoscheu und begiebt sich mitten rein ins Geschehen. Eines Tages übertreibt er jedoch, als er unerfahrene Kollegen mitnimmt und so mehr oder weniger fahrlässig deren Tod in Kauf nimmt.

Der Held strauchelt, die großen Redaktionen lassen ihn fallen und über Jahre fristet Hagen ein Dasein als Onlinejournalist mit zweitklassigen Aufträgen und drittklassiger Bezahlung. Die Schuld lastet schwer auf ihn und ein Comeback will trotz halsbrecherischer Manöver in Lyien nicht gelingen – die letzten Stunden von Gaddafi verpasst er haarscharf und einmal mehr macht Al Jazeera das Rennen. Als er schließlich in Israel strandet bietet sich ihm die große Story auf dem Silbertablett: Der Schin Bet, der israelische Inlandsgeheimdienst verliert wichtige Daten und deren Diebe wenden sich über Mittelsmänner an Hagen, um sie zu veröffentlichen. Der Schin Bet jagt den Deutschen fortan mit einem Großaufgebot durch den Nahen Osten. Doch auch ein Untergrundgeheimbund aus religiösen Fanatikern, bestens ausgebildet und vernetzt, heftet sich ihm an die Fersen. Erst jetzt wird Hagen klar, dass er durch Zufall dem größten Geheimdienstskandal des Jahrzehnts auf der Spur ist.

Daneben gibt es einen zweiten Handlungsstrang, der sich entlang der Geschichte zweier Familien entwickelt, die Israel seit der Staatsgründung bewohnten und deren Angehörige die politische und religiöse Zerrissenheit widerspiegeln, die sich in einem Land einstellen muss, dass den Ausnahmezustand nur als Normalzustand kennt. Ariel Scharon ist als Oberhaupt einer dieser Familien das zweite große Zentrum des Romans.

Riskante Geschichtsstunde

Oberflächlich gesehen lässt sich „Breaking News“ als Thriller titulieren und tatsächlich steht Schätzing, der seit „Der Schwarm“ als einer der erfolgreichsten deutschen Thrillerautoren gilt, seinem amerikanischen Amtskollegen Dan Brown in nichts nach: Da fliegen munter Gebäude und Fahrzeuge durch die Luft, muskulöse Bond Girls jagen in Motorrädern und mit Kung Fu den Bösen hinterher und Kampfjets kommen auch zum Einsatz. Soweit, so spannend. Die nahezu 1.000 Seiten Umfang sollten niemanden ängstigen – man fliegt geradzu durch das Buch. Allenfalls die ersten 150 Seiten sind stellenweise etwas schwergängig. Hier bläst Tom Hagen Trübsal und der Leser kennt ihn noch nicht hinreichend, um mitzufühlen und man ist möglicherweise stellenweise eher genervt von dem zerlumpten Reporter, der seine Qualitäten ja erst noch im weiteren Verlauf zeigen wird.

Doch Schätzing hat weit mehr zu bieten: Parallel zum Thriller rund um Tom Hagen und seine hübsche israelische Verbündete entwickelt er eine Familiensaga, in der sich der jüdische Staat selbst wiederspiegelt. Hier entwickelt er die Tiefe des Romans. Dabei geht er zurück bis 1930, als die äußeren Feinde das Volk im Inneren zusammenschweißten und zu Verzweiflungsleistungen antrieb – Sechs-Tage-Krieg, Jom-Kippur-Krieg und das Hervorbringen der einzigen parlamentarischen Demokratie des nahen Ostens. Die Siedlungspolitik, die unterschiedlichen Strategien im Sinai, in Gaza, auf dem Tempelberg, auf den Golanhöhen und in Westjordanland – all das flechtet Schätzing in Breaking News wie beiläufig ein und bringt uns damit näher, was wir eigentlich nur aus den Abendnachrichten und mit wenig fundamentalem Hintergrundwissen kennen. Das es nicht die Siedler gibt, sondern neben Fanatikern auch Pragmatiker; dass es nicht die eine böse Seite gibt sondern alle Beteiligigten über die Jahre Freveltaten angehäuft haben – das erfährt man hier unangestrengt nebenbei, ohne abstrakte Geschichtsbücher bemühen zu müssen. Ariel Scharon und andere Schlüsselfiguren der jüngeren Geschichte lernen wir im Roman schon in seinen Kindheitstagen kennen, sehen ihn aufwachsen in feindlicher Umgebung.

Man muss Breaking News nicht als Pflichtlektüre an unseren Schulen einführen, das nicht. Aber ein Fehler wäre es nicht. Denn die Geschichte des jüdischen Volkes liegt uns nahe, Israels Sicherheit ist in der Bundesrepublik immer explizit oder unausgesprochen Teil der deutschen Staatsräson gewesen. Es lässt sich kaum jemand finden, der keine Meinung zum „Nahost-Konflikt“ hat, also warum sollte man sich nicht mit dem Fundament beschäftigen?

Natürlich ist es an sich schon mutig, wenn sich ein deutscher Autor ans Eingemachte des Nahostkonflikts macht und über nahezu 1000 Seiten mal offen, mal zwischen den Zeilen, danach fragt, wer in diesem Konflikt eigentlich die Schuld trägt. Mit Leidenschaft berichtet das Werk von der unguten Entwicklung, die eine absolute Minderheit – die radikalen Fanatiker in den Siedlungen – dem Land aufzwingt.

Fazit

Man kann „Breakting News“, wie es die ZEIT tut, vorwerfen dass man den Plot ja auch anhand arabischer Familien hätte entwickeln können. Oder beides. Das mag sein – dann hätte das Werk eben 1.300 Seiten, statt 1.000. Doch geschenkt – Repräsentativität ließe sich auch so nicht herstellen; das ist nicht das Anliegen dieser Stilform. Das Anliegen ist die Anschaulichmachung, die Herstellung von Unmittelbarkeit. Frank Schätzing ist es wohl wie niemandem zuvor gelungen, einen auch für europäische und insbesondere deutsche Leser wichtigen Konflikt in seine tieferen Bestandteile zu zerlegen und damit historisch fundierte Kenntnisse auch einer breiteren Leserschaft anzudienen. Und breit ist sie, die Leserschaft: Mit 500.000 Exemplaren in der ersten Auflage wusste der Verlag, dass Breaking News vom Start weg zum Bestseller avancieren wird – ähnlich wie auch schon die Vorgängerwerke Schätzings.

Darüberhinaus ist Breaking News auch einfach spannend. Die Verquickung von Familiengeschichte und Thriller ist rundum gelungen. Die Kritik einiger Rezensionisten liest sich häufig kleinlich, nach dem Motto „Ein Thrillerautor erdreistet sich, über Erwachsenenthemen zu reden“. Allenfalls der FAZ ist recht zu geben, die an den sprachlichen Qualitäten mäkelt. Die Dialoge zur Erklärung der vielen Aspekte wirken mitunter etwas aufgesetzt und unnatürlich. Andererseits – die „richtigen Dialoge“ werden an Stammtischen geführt und wer will schon Stammtischdialoge hören, authentisch oder nicht?