Rezension von Beste Bücher

„Von Männern, die keine Frauen haben“ ist eine Sammlung von sieben Kurzgeschichten aus der Feder des japanischen Bestsellerautors Murakami. In „Drive my Car“, der ersten Geschichte, kommen ein belangloser Schauspieler und seine Chauffeurin ins Gespräch. Die Chauffeurin ist ihrem Äußeren nach, ebenso wie charakterlich, eine unscheinbare Person. Mit der Zeit offenbart der Schauspieler seiner Fahrerin, dass er die Untreue seiner gerade verstorbenen Frau nicht nachvollziehen kann und nun bedauert, sie nicht mehr fragen zu können. Damit ist die Geschichte dann auch schon erzählt.

„Yesterday“, die zweite Geschichte, handelt von einem merkwürdigen Kauz, der seinen Arbeitskollegen dazu bewegen möchte, eine Beziehung zu seiner eigenen Freundin einzugehen. Der Arbeitskollege und die Freundin treffen sich zu Kino und Pizza, verstehen sich gut, und… lassen es dabei bewenden. Warum? Die Freundin hat Interesse, doch der Arbeitskollege nicht. Murakami lässt den Arbeitskollegen sagen: „Sie war zu schön, als dass ich ernsthaftes Interesse an ihr hätte haben können“. Was soll das bedeuten? Der Satz steht im Raum…unverständlich und wie reingeschubst, ohne jegliche Logik.

„Das eigenständige Organ“ handelt von einem Schönheitschirurgen, der als ewiger Junggeselle durchs Leben geht, bis er sich eines Tages doch verliebt und dann angesichts unerwiderter Liebe an gebrochenem Herzen stirbt. Jedenfalls verweigert er die Nahrungsaufnahme.

Etwas origineller ist „Scheherazade“, in der eine verheiratete Frau einen Mann besucht, dem es nicht gestattet ist das Haus zu verlassen und ihm neben sonstigen Besorgungen auch das Liebesleben besorgt. Dabei erzählt sie dümmliche Geschichten mit Fortsetzungscharakter und der Mann hofft stets, beim nächsten Mal den Ausgang der Geschichte zu erfahren. Originell ist, dass die Hintergründe nicht erzählt werden und man sich selbst zusammenreimen darf, weshalb der Kerl nicht aus der Wohnung darf.

„Kinos Bar“ handelt von einem Barbesitzer, der zwar eigentlich ein völlig durchschnittliches Leben führt, durchschnittliche Ansichten vertritt, durchschnittliche Dinge sagt und tut, usw. – aber er trifft die ganze Zeit über auf geheimnisvolle Leute, Tiere und Orte, die irgendwie ein gutes oder böses Omen bedeuten. Am Ende wird nicht im Mindesten erklärt, worauf die Geschichte hinausläuft. Sie endet einfach. Das tröstliche ist, dass die Geschichte derart langweilig erzählt ist, dass man bis dorthin sowieso das Interesse verloren hat und einfach nur das Ende der Geschichte herbeisehnt.

„Samsa in Love“ greift die berühmte Kurzgeschichte von Gregor Samsa von Kafka auf, allerdings erwacht Samsa hier eines Morgens und ist wieder ein Mensch. Er erinnert sich nicht an die Ereignisse, aber seine Familie musste entweder plötzlich fliehen oder ist verschleppt worden – draußen ist Krieg. Da taucht eine behinderte Schlosserin auf und Samsa ist von der Erotik, die aus seiner Sicht insbesondere von dieser Behinderung ausgeht (Die Frau leidet unter Skoliose („Buckel“)) hin und weg. Ungeniert trägt er seine Erektion zur Schau und sucht dazu das Gespräch mit der Frau. Was soll man dazu sagen?

„Von Männern die keine Frauen haben“ schließlich, ist die letzte Geschichte aus der kleinen Reihe und handelt von einem Mann, dessen Exfreundin üblicherweise Selbstmord begehen. Nicht das die Geschichte darauf lange eingeht – Murakami stellt solche Aussagen ja gerne in den Raum und redet dann über was anderes.

Soweit der Erzählband. Schon länger berichten auch deutsche Feuilletons von dem Phänomen der japanischen Kultur, wonach immer mehr junge Leute, insbesondere Männer, kontaktscheu werden und sich wochenlang oder gar auf Dauer nicht aus dem Haus bewegen. Da Japan eine der reicheren Kulturen der Erde ist und nicht wenige vom Erbe ihrer Elterngeneration leben können, fällt die ökonomische Notwendigkeit weg. Es war also womöglich nur eine Frage der Zeit, bis der japanische Großschriftsteller auf die Idee verfällt, dieses Thema literarisch zu bearbeiten. Murakami lässt einen seiner Protagonisten im Rückblick sagen: „Mit zwanzig hatte ich keine Freundin, um meinen Körper und mein Herz zu wärmen (…) für gewöhnlich schloss ich mich ein, und mitunter redete ich eine ganze Woche lang mit keiner Menschenseele.“

Liest man die deutschen Feuilletons, so trifft man nur auf die übliche Murakami-Begeisterung und wieder einmal denke ich, dass dieser Autor einer der meistüberschätzten Autoren der Gegenwart ist. „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ war ein Bestseller und sicher kein schlechtes Buch. Das ich es ein zweites Mal lese, ist dennoch unwahrscheinlich – „nicht schlecht“, reicht dafür nicht.

„Von Männern, die keine Frauen haben“, greift zwar ein befremdliches gesellschaftliches Problem in Japan und wohl auch andernorts auf, bringt dabei aber wenig Neues. Die Aufgabe der Literatur, wenn nicht gerade von Sachbüchern die Rede ist, liegt freilich nicht darin, neue Zahlen, Daten und Fakten beizusteuern. Doch neue Perspektiven, das ist sehr wohl das, was wir uns von Schriftstellern erhoffen. Den Schönheitschirurgen lässt er die sagenhafte Wahrheit über seine Kundinnen aussprechen: „Doch keine Operation vermochte es, intellektuelle Fähigkeiten zu verbessern.“. Wow. Brillant. Ein derart tiefgründiges Bonmot, da dröhnt einem der Kopf. In Wahrheit muss man wohl sagen, dass Murakami seit „1Q84“ und „Kafka am Strand“ kein wirklich herausragendes Werk mehr gelungen ist.

Von Männern, die keine Frauen haben

Das Werk bei Dumont