Rezension von Annemarie

In Vorderasien tobt der Krieg. In Deutschland ist währenddessen Frieden. Doch Christian Haller, der Autor dieses Bandes, beschließt, dass er selbst aktiv gegen den IS werden möchte. So reist er in den Irak und von dort nach Syrien und kämpft mit der YPG auf der Seite der Kurden gegen den IS – teilweise direkt an der Front. Dort erlebt er viele Absonderlichkeiten und Grausamkeiten. Diese gehen beileibe nicht nur vom IS aus, sondern auch von der YPG gegen die IS-Kämpfer.

So werden generell keine Gefangenen gemacht, sondern alle IS-Kämpfer erschossen, auch wenn sie sich ergeben. Zugleich werden Hunde reihenweise erschossen. Und – von seinen eigenen Mitkämpfern ging manchmal eine größere Gefahr aus als vor den IS-Kämpfern. Einmal wurde Haller mit einer Waffe direkt auf den Kopf gezielt – und das von einem ihm bekannten Mitkämpfer.

Darüber, und noch über vieles mehr, was ihm während meiner sieben Monate in Syrien passiert ist, schreibt Haller in diesem Buch. Chronologisch von Beginn an erzählt er seine Geschichte. Im Mittelteil des Buches sind einige Seiten mit hochqualitativen Farbfotos des Autors und seiner Umgebung; die Gesichter seiner Mitkämpfer sind dabei unkenntlich gemacht.

Rezension

„Sie nannten mich ´Held´“. Dieser Titel hat mich sofort angesprochen. Ich dachte an einen heroischen Kämpfer aus Deutschland, der nach Syrien zieht und dort Heldentaten vollbringt. Nun ja, ich hatte mich ziemlich getäuscht. Denn der Titel ist irreführend. Haller wird zwar ein Kampfname gegeben, um seine wahre Identität zu verschleiern, und der lautet „Agit“, also „Held“; allerdings wird ihm der Name schon direkt nach seiner Ankunft gegeben, noch bevor er irgendwie ins Kampfgeschehen gerät, und diverse andere Kämpfer werden unabhängig von ihrer Leistung ebenfalls „Held“ genannt.

Der Autor findet den IS also schlimm und entscheidet sich 2014, gegen den IS zu kämpfen. Wie praktisch, dass er zufällig genau in dem Zeitraum durch seine unangenehme Chefin keine Lust mehr auf seinen alten Job hat. Dann fährt er in den Irak, ohne seine feste Freundin vorher darüber zu informieren. Und in dem Wissen, dass er sie vielleicht nie wiedersieht, lässt sie, seine Bekannten und Verwandten in großer Angst alleine zurück und meldet sich von da an nur noch sporadisch. Einmal meldet er sich vier Wochen am Stück nicht bei seiner Freundin. Die sich natürlich wahnsinnige Sorgen macht. Die Trennung der beiden kurz nach Weihnachten desselben Jahres: Meiner Meinung nach infolge des Benehmens des Autors mehr als überfällig. Schlechtes Gewissen vonseiten des Autors? Fehlanzeige.

Von den Hunden, die um ihn herum von den Kämpfern reihenweise erschossen werden, rettet er keinem einzigen das Leben, obwohl er zuhause einen hat, den er laut eigener Aussage sehr vermisst. Und es stimmt auch nicht, dass Hallers Einsatz nach sieben Monaten vorbei ist und er abgezogen wird (dies steht auf dem hinteren Einband). Vielmehr hat er keine Lust mehr auf den Krieg und kehrt deshalb nach Deutschland zurück. Ich will jetzt nicht sagen, dass sich Haller schlecht verhalten hat, dazu kenne ich die Umstände zu wenig, aber als Held würde ich ihn definitiv nicht bezeichnen.

Dennoch, der Band ist – so blöd das jetzt klingt – unterhaltsam und interessant. So erhält man in dem Buch einen ganz guten Einblick in die Absurditäten des Krieges. Insbesondere lernt man auch etwas über den Alltag der Kämpfer, die gegen den IS kämpfen. Dadurch kann man vielleicht auch etwas besser verstehen, mit welchem Hintergrund die syrischen Flüchtlinge hierhergekommen sind.

Der Schreibstil des Bandes ist wie der eines abenteuerlustigen jungen Mannes, umgangssprachlich, teilweise auch etwas brutal. Daher vermute ich, dass der Band Männer etwas mehr anspricht als Frauen.

Fazit

Trotz des irreführenden Titels ein ganz interessantes Buch über den Alltag im Kampf gegen den IS.